Wunder der Introspektion – 3 Schritte auf dem Weg zu deinem Kern

Persönlichkeitsentwicklung mit Pferden

In meinem Alltag und besonders im Zusammensein mit Pferden, nehmen die Themen Achtsamkeit und Introspektion einen großen Stellenwert für mich ein. Meine Pferde treten nicht selten mit Themen an mich heran, die ich für mich bearbeiten darf. Neben dieser „Spiegelfunktion“ haben sie aber natürlich auch ihre eigene Persönlichkeit mit Bedürfnissen und Eigenarten.

Introspektion bedeutet, die „Innenschau“ – also eine bewusste Selbstbeobachtung, wobei mich natürlich auch die Pferde unterstützen.
Immer wieder treten Menschen an mich heran, die sich für diesen Weg interessieren und sich einen Einstieg darin wünschen. In diesem Beitrag möchte ich dir drei kleine Inspirationen geben, wie du dir selbst ein wenig auf die Schliche kommst und dadurch die Verbindung zu deinem Pferd stärken kannst.

Foto: Neele Heyer

Letztlich geht es mir persönlich in der Introspektion und auch in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen und Pferden niemals darum, den Ist-Zustand abzuwerten und eine „Besserung“ hervorzurufen. Wir müssen nicht erst jemand werden, um jemand zu sein. Niemand ist „weiter“ oder „besser“ als jemand anderes auf diesem Weg, denn jeder geht seinen eigenen Pfad entlang, den zuvor noch niemand genau auf die gleiche Weise gesehen und begangen hat.
Wir alle haben sämtliche Ressourcen, wie zB das Bauchgefühl, bereits in uns. Alles, was wir für diese „Veränderung“ oder „Persönlichkeitsentwicklung“ benötigen, ist schon da. Allerdings ist all das versteckt unter alten Glaubenssätzen, der Schnelllebigkeit des Alltags – mit der oft ein „funktionieren müssen“ einhergeht – und vielleicht auch unter der ein oder anderen Angst.
Es ist jedem selbst überlassen, ob er diesem Prozess die Tür öffnen möchte, denn es erfordert natürlich sehr viel Mut, sich selbst so unter die Lupe zu nehmen und hin und wieder zu hinterfragen. Und manchmal ist es auch schlichtweg anstrengend. Nicht für jeden ist dies in jeder Lebenslage möglich.

Oft ist das, was uns hemmt eine Art innerer Druck, von dem wir uns Stück für Stück befreien können, in dem wir zurück zu dem kommen, was wir eigentlich sind und in die Welt tragen möchten. Und auch, wenn wir durch die Gesellschaft so geprägt sind, dass wir uns häufig dem Außen ausgeliefert fühlen, haben wir in Wahrheit eine riesengroße Verantwortung: die Eigenverantwortlichkeit.
Wir sind alle für uns selbst verantwortlich. Das impliziert sämtliche Handlungen aber auch Dinge, wie unsere Stimmungslage oder emotionale Verfassung. Das eigene Stresslevel und die etwaige schlechte Laune ist kein Produkt der Außenwelt. Niemand kann ein Gefühl oder einen Gedanken in dich hineinstecken, wenn du ihm nicht die Tür dafür öffnest. Und niemand außer dir selbst, kann diesen ungebetenen Gast auch wieder zur Tür begleiten.
Falls du dich aber bereits auf diesen Weg begeben hast oder ein erstes Selbstexperiment starten möchtest, lade ich dich ein, die drei folgenden Dinge auszuprobieren, um diese Form der bewertungsfreien Selbstreflektion zu starten und deinem eigenen inneren Druck ein bisschen auf die Schliche zu kommen.
Wenn es dir gut tut, führst du es fort. Wenn es nichts für dich ist, änderst du deinen Fokus einfach wieder.

Jeder von uns führt einen ganz individuellen inneren Monolog. Den lieben langen Tag erzählen wir uns still eine Geschichte über das Leben und über uns selbst.
Dort begegnen uns Glaubenssätze, innere Antreiber und Kritiker und weitere kleine Gruselmonster, die ihren Schrecken verlieren, wenn wir uns ihnen bewusst werden und wir ihnen somit auch den Einfluss auf unser Tun und Fühlen nehmen. Ein Teil von Introspektion kann es sein, diesen inneren Monolog zu beobachten und über diese Erkenntnisse eine bewusste Veränderung herbeizuführen.

1. „Müssen, müssen, müssen“

Das erste gedankliche Experiment, in das du dich einmal stürzen darfst, spricht meist eine große Ursache deines inneren Drucks an. Das MÜSSEN.
Es ist nur ein Wort, trägt aber eine ganz spezielle Bedeutung in sich. Es steht ein Druck dahinter und eine Erwartung, die du zu erfüllen versuchst.

Was passiert, wenn du dich bewusst beobachtest und jedes MÜSSEN durch ein DÜRFEN ersetzt?

Ich MUSS jetzt noch zum Stall.

Ich DARF jetzt noch zum Stall.

Wie wirken diese beiden Sätze auf dich? Welche Gefühle knüpfst du automatisch an die jeweiligen Formulierungen?

MÜSSEN fühlt sich für die meisten von uns erdrückend an. Manchmal bekommen wir sogar ein schlechtes Gewissen, wenn wir das Wort in Bezug auf unsere Pferde benutzen, denn es ist genau genommen ein riesiges Geschenk, dass wir Zeit mit ihnen verbringen dürfen.
Ein DÜRFEN öffnet Türen und schafft Raum für das, was wir bewusst als positiv in unserem Leben wahrnehmen.
Nimm bewusst wahr, wie häufig du das Wort DÜRFEN einsetzen kannst, ohne dass es sich unpassend anfühlt. Schau ruhig hin, wie viele Geschenke dein Leben für dich bereithält.

Ein wichtiger Punkt ist: Du MUSST nicht an deinem inneren Monolog arbeiten. Du DARFST das tun. Für dich selbst und dein Wohlergehen und für niemand anderen sonst.
Ich persönlich stelle mir bei jedem MUSS, das ich denke oder sage vor, dass ich es innerlich durchstreiche und durch ein DARF ersetze.
Vielleicht hilft dir als kleine Erinnerung auch ein Post-it auf deinem Badezimmerspiegel, in deinem Auto oder am Rand deines PC-Bildschirms. Du darfst es dir leicht machen.

C. Heese-Hußmann Fotografie

2. „Sollte, sollte, sollte“

Die Erwartungen von außen sind häufig ein Punkt, an dem wir uns reiben, obwohl sie längst nicht so kritisch und einnehmend sind, wie unsere eigenen Erwartungen an uns selbst. Dennoch fühlen wir uns häufig fremdgesteuert, weil wir versuchen es jedem recht zu machen. Wir verfallen dabei leider einem problematischen Denkfehler: Wir meinen zu wissen, was die anderen gerade von/über uns denken.
Pustekuchen.
Wir haben nicht den leisesten Schimmer, wenn wir nicht offenherzig fragen. Dennoch bilden wir uns ein Urteil und fühlen uns dadurch eben manchmal auch einem Erwartungsdruck ausgesetzt, den der andere vielleicht gar nicht bewusst hervorrufen wollte.

Stell dir ein Beispiel vor:
Du stehst mit deinem Pferd an einem Pensionsstall, in dem ihr euch sehr wohlfühlt. Aber es gibt da ein kleines Grüppchen, von dem du dich sehr beobachtet und bewertet fühlst. Vielleicht bist du mit deinen Ansichten auch allein auf weiter Flur und fühlst dich unwohl, wenn andere sehen, was du mit deinem Pferd tust.
Dann passiert es schnell, dass wir denken „ich SOLLTE jetzt (dieses und jenes) tun.“ und eigentlich total unauthentisch handeln, was unsere Pferde meist als extrem verwirrend und unpassend empfinden.
Du darfst das beliebig auf andere Lebensbereiche und -situationen übertragen.

Was passiert nun, wenn du dich und die Intentionen deiner Handlungen beobachtest?
Wie oft handelst du, weil du glaubst etwas tun zu SOLLEN und wie oft am Tag tust du etwas, das du wirklich WILLST?
Die Lösung ist natürlich nicht, dass du alles, was du SOLLST nun bleiben lässt. Einige Verantwortungen sind natürlich wichtig. Es gibt aber auch vieles, auf das wir verzichten könnten und bei dem wir viel mehr uns selbst entsprechen, wenn wir stattdessen tun, was wir wirklich WOLLEN.
Schau doch mal, ob du beide Gegebenheiten für dich ausbalancieren kannst und dir selbst und damit auch deinem Pferd häufiger das Gefühl gibst, dass ihr, so wie ihr seid, absolut in Ordnung seid. Ihr dürft es euch zusammen leicht machen und tun und lassen, was ihr wollt.

3. „Mal eben schnell noch kurz“

Ein, wenn nicht sogar der größte Einflussfaktor für unseren inneren Druck, ist definitiv der Faktor Zeit.
Wir rennen in Windeseile auf der Überholspur durchs Leben, glauben, dass das Gefühl von Dauerstress völlig normal ist und machen am besten 5 Sachen gleichzeitig, damit wir möglichst effektiv den Alltag bewältigen.

S T O P

Das ist übrigens nicht leben, sondern hetzen. Und hetzen ist auf Dauer extrem ungesund.
Unsere Pferde sind wahnsinnig gute Achtsamkeitslehrer, wenn wir nur zuhören.
Eine Möglichkeit unsere Pferde bei dieser schwierigen Aufgabe unserer Entschleunigung zu unterstützen ist es, unseren inneren Monolog und gerne auch unsere explizite Wortwahl in Gesprächen auf Formulierungen zu prüfen, die Begriffe wie „mal eben“; „schnell noch“ und sämtliche weitere Varianten beinhalten, die uns zeitlich limitieren und damit unter Druck setzen.
Neben diversen Achtsamkeitsübungen und damit der bewussten Wahrnehmung unserer Umwelt und unseres Selbst, hilft es, sich beim Auftreten solcher Formulierungen einmal selbst anzuhalten.

Halte inne, atme tief durch und fühle die Anspannung, die gerade durch deinen Körper geht.
Ist die Hektik wirklich gerade nötig?
Was brauchst du jetzt, um mindestens einen Gang zurückschalten zu können?

Allein dadurch, dass du dir deinem inneren (und äußeren) Tempo bewusst wirst, kannst du Schritt für Schritt lernen, dich bewusst zu entschleunigen und damit dir Selbst, deiner Gesundheit und letztlich auch deinem Pferd einen großen Gefallen tun.
Und das wichtigste: Du darfst dir Zeit damit lassen.

Es gibt noch viele weitere kleine Ideen wie diese, die dich wieder ein Stück näher zu deinem Kern bringen. Die Strategie, die für dich persönlich am besten passt findest du vor allem dann, wenn du deine Wortwahl, deine Gedanken und typischen „Alltagsfallen“ genauer unter die Lupe nimmst.
Ich würde mich freuen, wenn du deine Strategien mit der Welt teilen möchtest. Vielleicht hilfst du damit auch anderen, sich selbst mehr wahrzunehmen.
Bitte mach dir immer bewusst, dass es ein Prozess ist. Es hört niemals auf und gehört zum Leben. Es gibt hier keine Wertigkeit wie „besser/schlechter“.
Ich arbeite beispielsweise mit der Umformulierung von jedem MUSS seit einigen Jahren und trotzdem passiert es mir immer wieder. Ich korrigiere mich tatsächlich auch verbal, wenn ich bemerke, dass das Wort MUSS bei mir in einem Gesprächskontext fällt.
Sei also gut zu dir, gib dir Zeit und sei dir permanent bewusst: Du machst das für dich. In deinem Tempo.

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