Therapie und Gymnastizierung – Helfer für den Pferdekörper

Gastbeitrag von Hannah Ruhnau – Pferd im Mittelpunkt

Hand in Hand – wo treffen sich Therapie und Gymnastizierung?

Im besten Fall arbeiten Trainer und Therapeut zusammen mit Mensch und Pferd Hand in Hand, um dem Pferd zu ermöglichen sich nachhaltig gesund zu bewegen.
Aber wo genau reicht nun der eine dem anderen die Hand? Wie hängt das alles zusammen?

Pferde sind wahre Meister, wenn es darum geht kleine körperliche Probleme zu kompensieren. Nur so können sie draußen überleben. Und auch dein Körper kann das sehr gut.
Wir alle tragen unsere natürliche Schiefe mit uns herum, genau wie unsere Pferde. Diese Schiefe und andere kleine Strukturschäden werfen den Körper so schnell nicht aus der Bahn – so lange diese Reize nicht zu großen Schaden anrichten. Manchmal übersteigt eine Belastung allerdings die momentane Belastbarkeit des Pferdekörpers – sei es durch ungünstige Wetterbedingungen, ständige Überbelastung, einen nicht passenden Sattel oder die fehlende Möglichkeit sich zu bewegen.

Wann der Pferdekörper Hilfe braucht

Der Harmoniezustand des Körpers ist nun gestört.
Wenn der Körper an einer Stelle drohenden Schaden befürchtet, bedient er sich eines Mechanismus um dieses Areal ruhig zu stellen – dem Schmerz.
Das läuft ganz automatisch ab, dafür sorgt das Nervensystem.
Nun sehen wir zum Beispiel ein festgehaltenes Wirbelsegment, der Brustkorb kann nicht mehr rotieren und die Tragkraft des Pferdes in eingeschränkt. Oder die Beckengelenke schmerzen, weil die Hinterhandmuskulatur verspannt ist und wir sehen eine leichte Lahmheit, weil das Hinterbein keine Last aufnehmen mag.

Damit sich diese Störungen nicht zu einer negativen Reflexschleife weiterentwickeln und sich Blockierungen und Schmerzzustände manifestieren und das Pferd weiter einschränken, kann ich nun als Therapeutin eingreifen.
Mein Ziel ist hier, die Funktion des Bewegungsapparates wieder in sein natürliches Gleichgewicht zu bringen. Die Schmerzen sollen reduziert und neue Bewegungsqualiät gewonnen werden. Ich verhelfe der Muskulatur wieder in einen Zustand, wo sie stabilisierend arbeiten können und löse Blockierungssituationen auf.
Durch verschiedene manuelle Techniken kann ich dem Pferdekörper so unterstützend helfen zunächst wieder seinen physiologischen Zustand zu kommen.

Kyra Photography

Schritt für Schritt – Bewegung als Faktor

Schmerzt das Sprunggelenk, ist die Tragemuskulatur nicht aktiv oder ist der Rücken steif, so sind diese Einschränkungen im Pferdekörper für den Therapeuten am besten im Schritt zu sehen.
Der Schritt wird nicht umsonst als so wichtiges Element in der Ausbildung des Pferdes betrachtet.
Es ist die reizärmste Gangart für das Pferd und deshalb ideal, damit sich Bewegungsmuster neu finden können.
Gleichzeitig ist der Schritt für die Pferdewirbelsäule sehr bewegungsreich, so haben wir hier gleich die Mobilisation mit im Boot. Das Pferd kann in sich hinein horchen und die neuen Impulse zunächst einmal umsetzen.
Im besten Fall geschieht das auf allen Ebenen und dafür braucht es Zeit. Deshalb bietet es sich an, nach Behandlungen oder generell während Schmerzzuständen und besonderer Belastung auf den zusätzlichen Reiz als Reiter zu verzichten.
Hier bietet die gymnastizierende Arbeit vom Boden aus großartige Möglichkeiten unser Pferd sinnvoll zu begleiten.

Und diese Bewegung ist wichtig! Sie regt den Stoffwechsel an, schenkt steifer und schmerzender Muskulatur Sauerstoff, um wieder normal arbeiten und entspannen zu können und regt so Heilungsvorgänge an.

Nachhaltigkeit durch Gymnastizierung

Hier schließt sich der Kreis.
Bewegung ist wichtig für unsere Pferde und wir können diese aktiv in eine richtige Richtung lenken. Idealerweise wollen wir unser Pferd in gesunden Bewegungsmustern fördern und ihm einen Weg aus alten Schonhaltungen heraus zeigen.

Oft ausgeführte Bewegungen sind im Nervensystem gut abgespeichert, es kostet keine große Anstrengung sie immer wieder erneut so auszuführen.
Läufst du zum Beispiel in der Bodenarbeit seit einiger Zeit neben dem Pferd her, dann ist dein Körper darin geübt und du kannst dich gleichzeitig auf die Bewegungsabläufe des Pferdes konzentrieren.
Wenn du nun aber deine Position wechselst und seit kurzem auch rückwärts vor deinem Pferd herläufst, damit du seine Bewegungsabläufe besser beobachten kannst, dann ist das koordinativ zunächst eine große Herausforderung für deinen Körper. Bestimmt hat sich der ein oder andere auch schon mal unfreiwillig auf dem Hallenboden wiedergefunden.
Wurden zum Beispiel durch eine therapeutische Behandlung Schmerzen im Pferdekörper reduziert und Mobilität ermöglicht, dann muss sich die neue Bewegungsqualität und Balance erst einmal finden dürfen.

Verspannungen in der Muskulatur führen bekanntlich zu Schmerzen, die wiederum die Muskelspannung weiter erhöhen – es entsteht ein Teufelskreis, den wir gerne durchbrechen wollen. | Kyra Photography

Neue Mobilität und Bewegungsmuster möchten aktiv stabilisiert werden.
Das trageerschöpfte Pferd, was seit einiger Zeit gut damit fährt, den Reiter über ein Anspannen der Rückenlinie zu tragen, kann nun lernen, die Rückenlinie zu entspannen und aktiv mit seinen Hinterbeinen vorzuschwingen.
Holen wir uns dann noch die Hilfe der Seitengänge hinzu, um dem Pferd zu zeigen, wie es mit den Hinterbeinen am besten Last aufnehmen kann, geben wir ihm so die Möglichkeit, seinen Brustkorb anzuheben.
Wir können es so körperlich nachhaltig stärken und begleiten.

Durch regelmäßige Gymnastizierung nach biomechanischen Grundsätzen können wir dem Pferd also erklären, wie es sich langfristig gesund bewegen kann, auch unter dem Reiter.
Du kannst so neuen Strukturschäden vorbeugen und euch den Behandlungserfolg langfristig erhalten.
Zeigen sich die körperlichen Probleme deines Pferdes über einen längeren Zeitraum und hast du das Gefühl, sie verschlechtern sich eher als sich zu verbessern, dann solltest du in Betracht ziehen, einen Therapeuten hinzu zu holen. Blockierungen, die seit einer längeren Zeit bestehen können mit der Zeit so resistent und zum Körpermuster werden, dass sie manchmal Hilfe von außen brauchen, um die Gelenke und Strukturen nicht nachhaltig zu schädigen.

Qualitätshinweise für Therapie und Gymnastizierung

Ein guter Therapeut nimmt sich ausreichend Zeit für dich und dein Pferd und behandelt und untersucht immer in Kooperation mit deinem Pferd. Er hört deinem Pferd die ganze Zeit aufmerksam zu und reagiert auf Schmerzäußerungen des Pferdes.
Genauso wichtig ist es, dass euer Training gut aufgebaut ist.
Denn das Training ist nun mal Bewegungstherapie und damit eine sehr wichtige Form der Therapie. Treten kleine körperliche Probleme oder Blockierungen auf, die sich noch nicht ‚festsetzen‘ konnten, dann kann gutes Training die Behandlung hier ablösen und den Körper so wieder ins Gleichgewicht begleiten.

Gutes Training ist auf den individuellen Körper deines Pferdes ausgerichtet.
Überforderung sollte unbedingt vermieden werden. Einige ruhige ausbalancierte Schritte im Schulterherein bringen dem Pferdekörper mehr als andauernde übereilte Tritte in übertriebener Biegung.

Das Training sollte möglichst stressfrei und mit Abwechslung zwischen eingebauten Elementen wie zum Beispiel den Seitengängen erfolgen – so kann die Muskulatur am besten arbeiten.
Es ist super, wenn du die körperlichen Themen deines Pferdes im Blick hast, aber vergiss trotzdem nicht den Fokus auch auf das zu richten, was ihr schon erreicht habt bisher. Denn es ist so wertvoll, wie unsere Pferde davon profitieren, wenn das Training einen positiven Fokus prägt.

 

Über die Autorin des Gastbeitrags:

Hannah ist Tierphysiotherapeutin und widmet ihr Feingefühl mit Hilfe von sanfter manueller Therapie voller Herzblut den Pferden. Islandpferde lassen ihr Herz besonders hoch schlagen, jedoch steht für sie jedes Pferd im Mittelpunkt, das auf körperlicher Ebene Unterstützung braucht.

Mehr über Hannah erfährst du auf ihrer Facebookseite.

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