Die Bedürfnisse des Pferdes achten [1/3] – in der Therapie

Die Grundlage einer guten Behandlung ist für mich der Dialog mit dem Pferd. Es ist wie ein gutes Gespräch: Beide hören dem jeweils anderem zu, nehmen sich gegenseitig wahr und geben sich gegenseitig Raum.

Dieser Raum kann von der behandelnden Person bewusst gestaltet werden, sodass sich Pferd und Mensch wohlfühlen und eine angenehme Atmosphäre für die Therapie entsteht. In der Gestaltung dieses Raumes spielen die Bedürfnisse des Pferdes eine große Rolle und dürfen den Ablauf einer Behandlung zu einem großen Anteil formen, um dem Pferd letztlich die Impulse geben zu können, die es gerade für seinen Heilungsverlauf braucht.

Traumata

„Alte“ Verletzungen, die im Gewebe vorliegen schränken den Pferdekörper immer zu einem gewissen Anteil ein. Das kann ein verheilter Muskelfaserriss sein, eine zurückgebliebene Narbe aber auch eine lang bestehende Blockierung.

Die Auswirkungen auf körperlicher Ebene können sehr unterschiedlich sein. Das Gewebe kann an dieser Stelle einfach empfindlich sein oder immer mal wieder schmerzen, die Körperwahrnehmung kann an dieser Stelle aber auch herab gesetzt sein oder der Körper hat in ein ungünstiges Bewegungsmuster aufgrund dessen gefunden.

Aber auch die emotionale Ebene hat immer ihren Anteil an einem Trauma und beeinflusst den Heilungsverlauf und die Behandlung des Pferdes häufig zu einem großen Anteil.

Gerade hierfür spielt das Sehen und Achten der Bedürfnisse des Pferdes während der Behandlung bzw. der Therapie eine große Rolle. Sie sind die Wegweiser auf dem Weg des Heilungsprozesses. Denn letztlich ist die eigene Heilung auf den verschiedenen Ebenen, auf denen sie stattfinden kann, sehr individuell in ihrem Verlauf.

Eine Frage, die ich während einer Behandlung immer gerne mit einbinde ist: „Was brauchst du gerade?“ Vom Beobachten der Mimik und des Verhaltens des Pferdes, über die Informationen der geschulten Hand und des Auges über das körperliche Befinden bis zum Bauchgefühl und der Intuition können diese als Puzzleteile zu einer ehrlichen Antwort führen.

Das gibt mir zum Beispiel Hinweis auf die Prioritäten, die für die Behandlung gesetzt werden dürfen. Und nicht selten sind diese Prioritäten Ursprung der mentalen und emotionalen Ebene.

Grenzen

Was wären deine Wünsche an einen guten Therapeuten? Und was macht für dich eine gute Behandlung aus?

Welche Art von Berührung ist dir angenehm? Ich bin mir sicher, dass ich 10 verschiedene Antworten bekommen würde, wenn ich 10 verschiedene Menschen diese Frage stelle.

Gerade in der Schmerzwahrnehmung und dem Zulassen von Berührungen hat jedes Pferd und jeder Mensch unterschiedliche Grenzen, die unbedingt wahrgenommen werden sollten. Denn dadurch kann gegenseitiges Vertrauen und ein entspannter Rahmen entstehen, der für eine Behandlung unabdingbar ist. Gerade, wenn wir für unsere Pferde einen Therapeuten kommen lassen hat ja normalerweise kein aktives Entscheiden des Pferdes für den Therapeuten stattgefunden, wie es passiert, wenn wir uns selbst zu einer Behandlung entschließen. Deshalb ist das Schaffen einer vertrauensvollen Atmosphäre mit dem Wissen, ganzheitlich wahrgenommen zu werden in diesem Fall noch wichtiger. In diesem Zusammenhang ist es für mich elementar, nicht einfach die Grenzen des Gegenüber, in diesem Fall das Pferd, zu überschreiten, da Entspannung und Vertrauen so nicht länger gegeben wären.

Manchmal können wir dem Pferd aber auch helfen, seine Grenzen zu verschieben. Ein typisches Beispiel wäre hier, wenn ein Pferd durch vorherige Behandlungen erfahren hat, dass diese mit Schmerzen verbunden sind. Der erste Schritt geht für mich hier immer über ein Wahrnehmen und Achten dieser Grenze aus Respekt und Achtung dem Individuum mir gegenüber. Ich möchte schließlich auch nicht gegen meinen Willen über meine Grenze hinweg berührt werden.

Sobald sich mit der Zeit ein vertrauensvoller Rahmen entwickeln konnte, kann ich dem Pferd aber erklären, dass eine Behandlung auch schmerzfrei verlaufen kann und ich meine Hand sanft an seine Bedürfnisse anpasse. Und diese Bedürfnisse ändern sich durchaus im Verlauf einer Behandlung und formen diese immer wieder neu. Häufig wird dieses rücksichtsvolle Erklären und Wahrnehmen von Grenzen sehr dankbar angenommen und mit Vertrauen quittiert seitens des Pferdes.

Weisheiten der Pferde

Pferd sind von Natur aus wahre Meister in Sachen Körpergefühl und Körperwahrnehmung.

Während einer Behandlung kann man ihr authentisches Feedback auf Handgriffe und Lösen von Einschränkungen, aber auch Schmerzwahrnehmung sehr gut beobachten. Die Äußerungen sind sehr individuell, manchmal leiser, manchmal lauter, aber sie sind immer da.

Es kann so heilsam sein, Pferde dabei zu beobachten, wie sie ihre Bedürfnisse selbst wahrnehmen und achten. Vor allem Pferde, die in einer konstanten Herde in artnahen Haltungsbedingungen leben dürfen sind meist gute Lehrmeister zum Thema Achtsamkeit sich selbst und anderen gegenüber. Ich denke die Pferde können uns da wunderbare Vorbilder sein, wenn wir sie lassen.

Mehr zu Hannah und ihrer Arbeit als Physio- und Manualtherapeutin erfahrt ihr zum Beispiel auf Facebook oder ihrer Homepage. Dort ist auch ihr neu veröffentlichtes Ebook zum Thema „Einfühlsame Massage“ zu finden, das dich als Pferdemensch sicherlich bereichern wird.

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